Angiologie-Online
Gefäßmedizin

Home


RISIKOFAKTOR BLUTHOCHDRUCK





Ist mein Blutdruck denn wirklich zu hoch? Muss er überhaupt behandelt werden?

Diese Fragen sind gerade jetzt hochaktuell, da die American Heard Association (AHA) und das American College of Cardiology (ACC) in ihren neuen Leitlinien neue Blutdruckgrenzwerte definiert haben. Dort gilt jetzt als Grenzwert nicht mehr 140/90 mmHg, sondern 130/80 mmHg. Das heißt ab 130/80 mmHg aufwärts bis 139/89 mmHg spricht man bereits von einer Hypertonie Grad I. Dies hat in Amerika dazu geführt, dass die Zahl der Blutdruckpatienten rechnerisch praktisch über Nacht drastisch zugenommen hat.

Nun, wie kommt es zu dieser Änderung der Leitlinien in den USA. Grund ist die SPRINT Studie. (Unter diesem Link ist die Studie in der Fachzeitschrift New England Journal of Medicine frei darstellbar!) In dieser Studie wurden ca. 2630 Patienten untersucht, von denen die Hälfte intensiv behandelt wurde (es wurden systolische Mittelwerte um 121,4 mmHg erreicht), die andere mit einer Standardtherapie (es wurden systolische Mittelwerte um 136,2 mmHg erreicht). Dabei kam heraus, dass die intensiv behandelten Patienten weniger häufig unter kardiovaskulären Ereignissen litten (wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche etc.) und auch länger lebten. Dieser Befund zeigte sich auch unabhängig davon, welche Erkrankung letztendlich zum Tode führte.



Gelten die amerikanischen Zielwerte auch für uns?

NEIN! In den neuen europäischen Leitlinien wird jetzt für fast alle Patienten ein Zielblutdruck von unter 140/90 mmHg empfohlen.





GRENZWERTE (für fast alle Patienten) <140/90 mm Hg
Ausnahme 1: Diabetiker diastolisch 80 - 85 mm Hg
Ausnahme 2: Alter über 88 Jahre und/oder "gebrechliche" Patienten systolisch 140 - 150 mmHg
Ausnahme 3: Eiweiß im Urin, bestimmte Nierenleiden /Arzt befragen!! systolisch <130 mm Hg




hier geht es zur aktuellen europäischen Leitlinie!



>Werden diese Grenzwerte mehrfach überschritten, so kann die Diagnose Bluthochdruck gestellt werden. Eine Behandlung sollte nach Sicherung der Diagnose in Betracht gezogen werden.


Eine sorgfältige und exakte Diagnosestellung ist aber vor allem vor einer Therapie von entscheidender Bedeutung. Wie, wann, wie oft und von wem wird gemessen? Werden die Messungen korrekt durchgeführt? Wie sicher ist die Diagnose?

Neben einer gründlichen Anamnese mit Erfassung des kompletten Risikoprofils, einer körperlichen Untersuchung und mehrfachen Blutdruckmessungen (in Ruhe liegend, sitzend, und ggf. unter Belastung) sowie Routineuntersuchungen (wie Labor, EKG) werden im Verdachtsfall zusätzlich empfohlen:




24h Langzeitblutdruckmessung vor jeder Behandlung zur Überprüfung der Diagnose und erneut unter einer Behandlung zur Kontrolle einer ausreichenden Blutdrucksenkung. Sehr wichtig ist auch der Ausschluss zu tief liegender Blutdruckwerte (z.B. in der Nacht) vor allem bei Patienten, die bereits an einer kardiovaskulären Erkankung leiden.
Echokardiographie zur Beurteilung der systolischen und diastolischen Funktion des Herzmuskels und Messung der Herzwanddicke.
Risikostratifizierung , meint die Suche nach weiteren Risikofaktoren, die u.a. dann auch die Zielblutdruckwerte bei der individuellen Einstellung definieren. (z.B. Diabetes, Fettstoffwechselstörung etc.)
Checkup hinsichtlich bereits vorliegender kardiovaskulärer Folgeerkrankungen. Der Umfang der hier erforderlichen Untersuchungen hängt vom Alter und vom gesundheitlichen Gesamtzustand ab und ist somit individuell unterschiedlich.



Wie tief soll der Blutdruck bei der Behandlung optimal eingestellt werden?

Im Prinzip gelten die o.g Grenzwerte.



Bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko, also mit Vorerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, aber auch mit sehr ausgeprägten Verkalkungen, sollte eine zu starke Blutdrucksenkung vermieden werden, Werte von 120/70 mmHg nicht unterschreiten. Es könnte dabei in wichtigen Organen wie Gehirn, Herz, Nieren usw. eine kritische Minderung der Durchblutung eintreten auch mit der Folge eines Infarktes! In den verkalkten Arterien braucht es einen gewissen Blutdruck, damit das Blut durch Engstellen und die dadurch bedingten Strömungsbehinderungen auch ans Ziel kommt. Besonders bei solchen Patienten ist eine 24h Blutdruckmessung zur Kontrolle unter der laufenden Therapie besonders wichtig.



Kann der Blutdruck denn auch mal höher sein, wenn ich mich zum Beispiel belaste?


Es ist normal, dass der Blutdruck auch bei Gesunden unter einer Belastung ansteigt. Das kann auch bei extremen Belastungen wie zum Beispiel im Leistungssport schon mal 200 mmHg systolisch und mehr sein. Bei Gesunden geht der Blutdruck nach der Belastung relativ schnell wieder in den Normalbereich zurück.

Bei Hochdruckpatienten sollte der Bltudruck unter Belastung jedoch nur moderat ansteigen.
Eine gute Empfehlung ist hier ein oberer Grenzweit von 160/100 mHg. Blutdrücke über diesem Grenzwert sollten vor allem bei "kränkeren" Patienten unbedingt vermieden werden. Dazu zählen vor allem Patienten mit bereits vorhandenen kardiovaskulären Erkankungen wie u.a. Schlaganfall oder Herzinfarkt.

Fest steht, ein regelmäßiges körperliches Training ist auf jeden Fall für Hochdruckkranke sehr empfehlenswert und sollte fester Bestandteil der Behandlung sein. Auch der Verlauf der Erkankung wird günstig beeinflußt. Besonders zu empfehlen ist Ausdauertraining wie angemessen schnelles Laufen, rasches Gehen, Gymnastik, Heimtrainer mit geeigneter Einstellung. Weniger geeignet sind Sportarten, die kurzfristig zu höheren Drucken führen wie zum Bespiel Kraftsport mit hoher Gewichtsbelastung, Tischtennis im Wettkampf mit raschen "stressigen" Ballwechseln.
Besonders wichtig ist aber auch, dass die gewählte Sportart Spaß macht. in Einzelfall kann man sich über die Auswahl und Art und Weise der Ausübung auch mit dem Arzt beraten.

Ob man mit der Wahl seiner Belastungsmethode im Rahmen liegt, sollte bei der Therapieüberprüfung am besten mit einer 24h Blutdruckmessung geprüft werden. Hierbei kann man selbst Messungen auf dem Höhepukt der Belastung am Gerät auslösen, Uhrzeit wie Art der Belastung aufschreiben und später beim Arztgespräch in eine Empfehlung einbeziehen.

Wer mehr zum Thema lesen möchte, dem empfehle ich weitere Informationen der Deutschen Hochdruckliga (DHL)



Wie und wie oft soll der Blutdruck kontrolliert werden?


Die Art und Weise, wie man den Blutdruck misst, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen auch im Zusammenhang mit der SPRINT Studie. Hier wurde eine spezielle Art der Blutdruckmessung verwendet: ein zeitverzögerter, automatisierter Start der Messung bei unbeobachtetem, ruhenden Patienten (unattended blood pressure measurement). Fakt ist, die Ergebnisse der verschiedenen Blutdruckmessmethoden sind nicht miteinander vergleichbar. Dies muss bei der Bewertung aller Messungen unbedingt berücksichtigt werden.

Die Studienlage zeigt eindeutig, dass ambulant durchgeführte Blutdruckmessungen besser geeignet sind, kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall, und Tod vorherzusagen als Messungen in medizinischen Einrichtungen. [1] [2] Eine ganz aktuelle Studie an 63910 Patienten belegt das eindrucksvoll auch für die ambulant durchgeführte 24-h Blutdruckmessung im Vergleich zu stationär durchgeführten Blutdruckmessungen. [3] Es kann also aufbauend auf der Studienlage eindeutig empfohlen werden, auf jeden Fall zu Hause den Blutdruck zu messen, gelegentlich bei nicht bekannter Hypertonie, um eine solche zu entdecken, vor allem aber um die Einstellung einer laufenden Behandlung zu überprüfen. Notieren Sie Ihre Messergebnisse, und nehmen Sie diese zum nächsten Arztbesuch mit.

Wichtig ist, dass Sie richtig messen! Lassen Sie Ihre Technik vom Arzt oder von einem Fachkundigen überprüfen. Führen Sie selbst Vergleichsmessungen durch, z.B. während einer 24-h-Blutdruckdiagnostik.


Die Häufigkeit erforderlicher Blutdruckmessungen hängt davon ab, in welchem Stadium der Diagnostik und Therapie wir uns befinden. Für die Neudiagnose einer Hypertonie ist m.E. eine 24-h-Messung (ABDM) erforderlich. Ebenfalls führe ich eine 24-h-Messung nach dem Beginn oder nach Änderungen einer medikamentösen Therapie im Verlauf durch. Dies ist umso wichtiger, je kränker der Patient ist. Je aktueller dignostische Maßnahmen durchgeführt werden und/oder die Therapie geändert wird, umso häufiger sollte man den Blutdruck kontrollieren. Dies sollte jedoch nicht in ein zwanghaftes Verhalten münden, ständig mit dem Blutdruckmessgerät unterwegs zu sein. Tagesprofile über 5 Werte sind sehr brauchbar zur Therapieüberwachung. Läuft eine Therapie gut, so kann man die Messungen reduzieren, z.B. auf 3 Messungen am Tag 3mal in der Woche. Natürlich ist eine einzelne Messung sinnvoll, wenn man sich nicht richtig wohl fühlt, und als Ursache dafür vielleicht eine Blutdruckschwankung vermutet.

[1] Perloff D, Sokolow M, Cowan R. The prognostic value of ambulatory blood pressures. JAMA.1983;249:2792-2798.


[2] Home blood pressure measurement has a stronger predictive power for mortality than does screening blood pressure measurement: a population-based observation in Ohasama, Japan Ohkubo, Takayoshi1,5; Imai, Yutaka2; Tsuji, Ichiro1; Nagai, Kenichi4; Kato, Junko2; Kikuchi, Noriko2; Nishiyama, Akimitsu2; Aihara, Akiko2; Sekino, Makoto2; Kikuya, Masahiro2; Ito, Sadayoshi2; Satoh, Hiroshi3; Hisamichi, Shigeru1. Journal of Hypertension: July 1998 - Volume 16 - Issue 7 - p 971–975


[3] Relationship between Clinic and Ambulatory Blood-Pressure Measurements and Mortality José R. Banegas, M.D., Luis M. Ruilope, M.D., Alejandro de la Sierra, M.D., Ernest Vinyoles, M.D., Manuel Gorostidi, M.D., Juan J. de la Cruz, M.Sc., Gema Ruiz-Hurtado, Ph.D., Julián Segura, M.D., Fernando Rodríguez-Artalejo, M.D., and Bryan Williams, M.D. N Engl J Med 2018; 378:1509-1520 DOI: 10.1056/NEJMoa1712231


Wie kann ich mit weiteren Maßnahmen selbst dazu beitragen, den Bluthochdruck in den Griff zu bekommen?


Hier sind zahlreiche Möglichkeiten zu nennen, die unter dem Begriff Lebensstiländerungen zusammenzufassen sind. Diese Maßnahmen sind nicht nebenbei zu empfehlen, sondern oft an erster Stelle einer Therapie einzuleiten. Oft wird eine medikamentöse Therapie damit sogar überflüssig. Allerdings, Änderungen liebgewonnener Gewohnheiten sind sehr schwer umzusetzen, das weiß jeder von uns. Wir sollten behutsam beginnen mit einem erträglichen Maßnahmenkatalog. Rigoroses Handeln ist nicht gefragt, kann sogar gefährlich sein. Wir brauchen einen nachhaltigen Erfolg, müssen dabeibleiben, darauf kommt es an. Die Freude am Leben muss erhalten bleiben. Belohnen Sie sich mit schönen Dingen, die keinen nachteiligen gesundheitlichen Effekt haben.

- Weiter oben habe ich schon die vermehrte körperliche Bewegung erwähnt als eine sehr wichtige therapeutische Maßnahme. Verbunden mit vermehrter Bewegung ist oft auch schon ein erwünschter Gewichtsverlust zu erreichen. Damit kann u. U. eine Hypertonie bereits verschwinden, zudem, sofern vorhanden, auch ein Diabetes mellitus Typ II. Eine medikamentöse Behandlung kann überflüssig werden.

- Die klassische Diät beim Bluthochdruck ist die sog. DASH Diät. Diese besteht aus einer salzarmen, mediterranen Kost. Die Betonung liegt hier auf salzarm, weil eine mediterrane Kost allein ohne die Komponente der Salzreduktion auf den Blutdruck keinen Einfluss nimmt. Die Wirksamkeit der DASH Diät ist in Studien belegt.

- Alkoholexzesse vermeiden! Sie können den Blutdruck erheblich in die Höhe treiben. Gegen einen gelegentlichen, mäßigen Alkoholgenuss bestehen keine Einwände.

- Ein Gewichtsverlust wird unterstützt durch eine moderate Kalorienreduktion von z.B. 300 bis 500 kcal / Tag je nach Ausgangsgewicht. Der Erfolg hängt auch hier von der Nachhaltigkeit der Kostumstellung ab.

- Eine sehr wichtige Rolle spielt auch unsere seelische Verfassung. Unsere Sorgen und Nöte, vor allem die dauernd in der Tiefe drückenden Probleme, können auch unseren Blutdruck zu einer Karussellfahrt bringen. Einfache allgemeingültige Empfehlungen kann man hier nicht geben, aber man sollte unbedingt mit einer Vertrauensperson darüber sprechen. Oft hilft das schon, die eigenen Probleme besser zu erkennen. Vielleicht können Lösungsansätze gefunden werden. Oft wird man bei ernsthaften Störungen jedoch nicht um die Inanspruchnahme fremder professioneller Hilfe herumkommen.



TEXTVERFASSER
dieses Artikels
© Oktober 2018



Dr. med. Achim Kredteck
Internist, Angiologe
ehemals Ltd. OA i.Klinikum Westfalen
Privatpraxis Gefäßmedizin
Saarfelser Straße 19
66701 Beckingen